MYTHOS RAUCH – Rauchskulpturen von Sonja Keppler
Im Alten Orient wusste man bereits die wohltuende und schützende Wirkung des Räucherns zu schätzen. Es entstand dort ein reger Handel mit Weihrauch und anderen Duftstoffen, die im Mittelalter auch in Mitteleuropa bekannt wurden.
In einem der ältesten Texte der Menschheit, dem Gilgamesch-Epos, wird von Räuchergefäßen berichtet, in deren Schalen Weihrauch, Myrrhe, Zedernholz und Süßrohr verbrannt wurden. Im alten Ägypten und in Griechenland, wo das Orakel eine große Rolle spielte, wurden spezielle psychoaktive Substanzen verwendet. Die Herstellung dieser Räuchermischungen war den Priesterinnen und Priestern in den Tempeln vorbehalten.
Von den Römern und Kelten ist überliefert, dass sie kleine Räuchergefäße mit Dufthölzern und Harzen als Grabbeigaben verwendeten.
Auf das Räucherritual gehen vermutlich auch die Bräuche im Zusammenhang mit den Rauhnächten zurück. Zwischen Weihnachten und dem 6. Januar, den Heiligen Drei Königen, wurden in katholisch geprägten Gegenden Wohnungen und Ställe von Priestern mit Weihrauch beräuchert, eine Tradition, die sich bis heute vor allem im Alpenraum erhalten hat.
Die Künstlerin Sonja Keppler, 1988 in Pforzheim geboren, beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit dem Mythos Rauch und der Ästhetik der Skulptur. Das sich stetig wandelnde Zusammenspiel von Immateriellem und Materiellem liegt all ihren archaisch anmutenden Rauchskulpturen zugrunde.
Bei der Formfindung und der Wahl des Materials – Bronze und Keramik – orientiert sich die Künstlerin an traditionellen Rauchgefäßen. Gleichzeitig löst sie jegliche Grenzen und wiedererkennbare Bezüge auf, um neue, überraschende, amorph-sinnliche Formen zu erfinden.
Abgefahren oder aufpoliert?
Ursprünglich war die Eröffnung der diesjährigen Ausstellung ECHT GLANZ STÜCKE – Vom Wert des scheinbar Wertlosen für Mai geplant. Aber schließlich kam alles ganz anders. Die bereits eingereichten Ausstellungsstücke wurden folglich notgedrungen und zunächst auf unbestimmte Zeit in ihren Kartonagen belassen. Nach Wochen der Ungewissheit und des Lockdowns aber ist es nun endlich soweit: Seit Sonntag, 26. Juli ist die Ausstellung geöffnet.
Über die Medien hatte Museumsleiterin Jacqueline Maltzahn-Redling im Vorfeld einen Aufruf gestartet, um auch die Bevölkerung um ihre Teilnahme zu bitten und ihre kreativen Upcycling-Produkten aus den Bereichen Alltag, Kunst und Kultur einzureichen, in denen Abfallgut zu neuem Leben erweckt und mit neuem Glanz versehen wurde.
„Den aktuellen Diskurs um einen nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen möchten wir im Schloss Neuenbürg weiterführen“, so Maltzahn-Redling. Daher sollten an der Ausstellung auch die Verbraucher aktiv beteiligt werden, denn häufig entstünden gerade im privaten Umfeld außergewöhnliche Ideen, weiß die Schlossleiterin aus eigener Erfahrung.
Schon kurz nach dem Aufruf erfreute sich das Schloss-Team bereits an ausgefallenen Lampen, Toilettenpapierhaltern oder Obstschalen. Doch auch Künstler, Designer und Studenten reichten ihre Arbeiten ein, die nun, zusammen mit weiteren Leihgaben aus Museen, die Gebrauchsware aus der Nachkriegszeit und der Dritten Welt zeigen, die Ausstellung bestücken werden.
Stabil und nützlich, das ist die klassische Europalette schon seit Jahrzehnten. Eigentlich zum Transport sperriger Waren gedacht, hat sie es in den vergangenen Jahren- trotz ihrer rauen Schale – bis in die deutschen Schlafzimmer geschafft. Ob als Sessel, Blumenständer oder gar als komplettes Haus, diese angesagte Holzpalette hat die Geschichte unserer Wohnkultur revolutioniert. Auch die glänzenden Patchwork-Shopper aus Dosenschrott oder Aluminiumstückchen sind aus der Alltagskultur nicht mehr wegzudenken. Als schickes Accessoire sind sie sogar in Hollywood eingezogen.
Upcycling, so wird diese Art der Wertstoffverwertung genannt, in der das ursprüngliche, für den Müll bestimmte Produkt umgestaltet und somit einer neuen Funktion zugeführt wird. Im Gegensatz zum Recycling, bei dem das Altprodukt maschinell in seine Bestandteile zerlegt und in neue Formen gepresst wird, setzt das Upcycling einen kreativen und individuellen Gestaltungsprozess in Gang.
Ob aus abgefahrenen Fahrradreifen, aufpolierten Kronkorken oder ausrangierten Vinyl-Schallplatten, die Palette der Upcycling-Produkte ist groß und das Spektrum origineller Ideen beinahe grenzenlos.
Der Kreativbereich, Hochschulen und ganze Industriezweige setzten mit ihren innovativen Ideen in den vergangenen Jahren nicht nur Trends, sondern arbeiten kontinuierlich an immer neuen Upcycling-Produkten im Bereich von Möbeln, Mode, Alltagskultur und Kunst. Diese Entwicklungen sollen sich auch in der Ausstellung wiederspiegeln, weshalb auch Start-up-Unternehmen und Hochschulen beteiligt sind.
Hier eine Auswahl der teilnehmenden Designer und Künstler:
Ausstellungsdauer
01.04.2021 bis 09.05.2021
Öffnungszeiten
Mi – Sa: 13-18 Uhr
So + Feiertage: 10-18 Uhr
Eintritt
Eintritt frei.